Die Geschichte des Hilfswerks, seines Studienheims und seiner Schulen: "Gymnasium Clementinum" u. "Clemens-Hofbauer-Kolleg"

Die improvisationsreichen Anfangsjahre in Belecke

  • Die Anfänge des Studienheims St. Klemens liegen in Belecke an der Möhne, (dem Geburtsort des jetzigen Paderborner Erzbischofes Hans-Josef Becker), heute ein Ortsteil von Warstein am Nordrand des Sauerlandes. Der Priester Bernhard Zimmermann war im benachbarten Allagen als Vikar tätig. Von Beruf zunächst Malergeselle, hatte er sich ab 1905 den Weg zum Abitur (1912 Gymnasium Dionysianum Rheine) und dann zur Priesterweihe (1916 Paderborn) unter unsäglichen Schwierigkeiten selbst erkämpfen müssen. Anfangs des 20. Jhdts. interessierte sich noch niemand für "Spätberufene", und die Idee eines Zweiten Bildungsweges war noch nicht gedacht. Im Blick auf seine eigenen Erfahrungen und mit der Zuversicht: "Es muß einen leichteren Weg geben für Leute meines Schlages" entschloß sich Vikar Zimmermann - völlig mittellos - zur Gründung eines Internates, das Priesterspätberufene zur Allgemeinen Hochschulreife führen sollte. Am 1. Februar 1920 rief Zimmermann mit Gleichgesinnten zunächst inoffiziell einen Hilfsverein ins Leben, der dann am 3. Mai 1922 den Schulbetrieb in Belecke eröffnete. Als Lehrer für die anfangs acht Schüler halfen der Pfarrer aus dem Nachbardorf Mühlheim und ein Vikar. Die einfachen Unterkünfte bauten sich die jungen Männer selbst, den Lebensunterhalt mussten sie sich in der Landwirtschaft erarbeiten.
  • Das Interesse am Studienheim St. Klemens war enorm, handelte es sich doch um die erste Einrichtung des Zweiten Bildungsweges im gesamten deutschen Sprachraum! 1924 waren es schon 160 Schüler. Eine neue räumliche Lösung wurde unausweichlich.
  • Am 10. Februar 1925 wurde der Trägerverein, das Clemens-Hofbauer-Hilfswerk für Priesterspätberufe offiziell ins Leben gerufen, als e.V. zunächst in Belecke, ab 1949 nach Bad Driburg transferiert.
  • In Zusammenarbeit mit dem Aschaffenburger Dekan Ferdinand Hufgard († 1937) gründete Zimmermann im Jahr 1926 ein Clemens-Hofbauer-Hilfswerk e.V. mit angeschlossenem Studienheim auch in Aschaffenburg. Das Studienheim musste allerdings in den Wirren der NS-Zeit 1935 geschlossen werden, das Aschaffenburger Hilfswerk besteht indes noch heute.
  • Ostern 1926 verließ der erste Klementiner mit dem Abitur in der Tasche das Haus. Die Abiturprüfung selbst mußte er allerdings als "externer Prüfling" im Gymnasium Warburg ablegen. Im Herbst 1926 bestanden vier weitere die externe Prüfung im Gymnasium Brilon. Im Herbst 1927 folgte ein sechster Abiturient mit externer Prüfung im Gymnasium Paulinum in Münster. Von jetzt an kooperierte man immer mit dem Paulinum, um den Anschluss an das staatliche Prüfungssystem zu erhalten.

Das Clementinum Bad Driburg wird zum Begriff

  • Vorausblickend erwarb Zimmermann 1925 günstig ein Grundstück (26,5 Morgen) in seiner Heimatstadt Bad Driburg am Osthang des Eggegebirges ("Nordfeldmark"), das 1931 noch einmal um 31 Morgen Richtung Innenstadt erweitert werden konnte.
  • Am 1. März 1927 setzte er dort den ersten Spatenstich zu einem neuen Studienheim, das zu Ostern 1928 von 190 Schülern und einigen Lehrern bezogen und am 26. September 1928 von Erzbischof Dr. Kaspar Klein eingeweiht wurde. Architekt war Josef Ferber (1874 Allagen - 1951 Soest) aus Soest. Zimmermann zog nun unentwegt durch ganz Deutschland, um Spendengelder für seine Einrichtung zu sammeln.
  • Mit 227 Schülern wurde im Schuljahr 1928/29 der Vorkriegs-Höchststand erreicht. Der Standort Belecke wurde noch bis 1934 aufrecht erhalten als sog. "Juvenat" für die ersten beiden Semester.
  • Am 10.09.1931 feierte der erste Priester, der aus St. Klemens hervorgegangen ist, seine Hausprimiz im Clemensheim.
  • Im Frühjahr 1932 erfolgte eine erste staatliche Anerkennung: die Schule wurde dem Schulprovinzialkollegium in Münster unterstellt, die Abiturprüfung allerdings durfte immer noch nicht eigenständig durchgeführt werden.
  • Von Ostern 1933-45 besaß das Clementinum sogar eine Filiale in Paderborn, das "Collegium Clementinum", zunächst zur Miete im ehemaligen "Ständehaus" in der Riemekestraße 11, dann ab Sommer 1935 im eigens erworbenen Gebäude Kilianstraße 26-28. Hier wurde nicht auf das Abitur vorbereitet. Vielmehr handelte es sich um ein Priesterseminar, in dem Theologiestudenten für die "auslandsdeutsche Seelsorge" und die Mission ausgebildet wurden. Sie studierten an der Paderborner Theologischen Akademie, konnten aber im Paderborner Priesterseminar wegen "Überfüllung" nicht aufgenommen werden. Das Gebäude in der Kilianstraße wurde bei den großen Bombenangriffen auf Paderborn im Frühjahr 1945 zerstört und dann anderweitig genutzt.

Das Clementinum in der NS-Zeit

  • Das Nazi-Regime führte von Beginn an mit allerlei Schikanen einen Kampf gegen das Heim und seinen Gründer. So wurden bspw. alle Schüler mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres unverzüglich zum Reichsarbeitsdienst oder Militär eingezogen, während Schüler anderer Lehranstalten erst noch ihr Abitur vollenden durften.
  • Weil im Februar 1933 bei einer hausinternen Karnevalsfeier im Belecker Studienheim ein Schüler mit braunem Hemd und Hakenkreuz auf dem Hosenboden und unter Abspielen des Horst-Wessel-Liedes auf einer Zieharmonika den "Führer" karikiert hatte, andere Schüler im Laufe des Jahres mit ihrer Meinung auch nicht hinter den Berg hielten, entspann sich ab November 1933 ein Konflikt zwischen Arnsberger Regierungspräsident einerseits sowie Hausleitung und Paderborner Generalvikariat andererseits, so dass das Belecker Heim im Herbst 1934 auf politischen Druck hin geschlossen werden musste.
  • Am 1. April 1941 kam schließlich das "Aus" auch für Bad Driburg: Das Gebäude wurde beschlagnahmt und in eine Lehrerinnen-Bildungsanstalt umgewandelt, die von einer Direktorin namens Elisabeth Frey geleitet wurde. Das Kreuz auf dem Glockenturm entfernte man. Rektor Zimmermann wurde vom Erzbischof zum Pfarrer in Paderborn-Etteln ernannt und kehrte erst am 28.10.1948 nach Driburg zurück.
  • Von 1922 bis zur Auflösung 1941 hatten immerhin 450 Abiturienten das Clementinum erfolgreich absolviert. 258 Vorkriegssschüler sind tatsächlich Priester geworden.
  • Ca. 200 Schüler des Clementinum kehrten nicht mehr aus dem Krieg zurück; sie sind gefallen oder gelten als vermisst.
  • Als in Münster die obere Schulbehörde, das "Provinzialschulkollegium" ausgebombt worden war, evakuierte man sie von Herbst 1943 bis Kriegsende ins Clementinum.

Neuanfang in der unmittelbaren Nachkriegszeit

  • Unmittelbar nach Kriegsende drohte die Beschlagnahmung durch das amerikanische Militär. Doch dem Erzbistum Paderborn gelang es, das Gebäude rasch von der Eigentümerin, dem Clemens-Hofbauer-Hilfswerk, anzumieten: vom 1945 (1. Juli) bis 1949 (17. Juli) fanden so die Theologiestudenten des völlig ausgebombten Paderborner Theologenkonvikts Collegium Leoninum und die Philosophisch-theologische Akademie Paderborn ihre vorübergehende Bleibe im Clementinum. Das zweite Geschoss mußte indes - mittlerweile waren die Besatzungszonen eingerichtet worden - der Britischen Rheinarmee als Exerzitienhaus für ihre Soldaten abgetreten werden. Die den Briten zunächst streng verbotene "Fraternisation" mit den vormaligen Kriegsgegnern mündete aber schon bald in freundschaftliche Beziehungen, die noch Jahre später gepflegt wurden.
  • Die Klementiner, deren Schulbetrieb am 15.07.1945 inoffiziell und am 12.03.1946 mit offizieller Genehmigung wieder angelaufen war, wichen auf die Wirtschaftsgebäude aus oder mieteten Zimmer in der Stadt und den umliegenden Dörfern an.
  • Am 09.11.1946 erging schließlich die lang ersehnte, volle staatliche Anerkennung als altsprachliches Gymnasium Clementinum mit Abiturgenehmigung. Der Ausbildungsgang war auf sechs Jahre angelegt. Studienheim und Schule waren fortan zwei selbständige Institutionen, beide getragen vom Clemens-Hofbauer-Hilfswerk e.V.

Das Klemensheim erlangt in der unmittelbaren Nachkriegszeit als Tagungsort Bedeutung

  • Am 27.09.1945 tagte die westdeutsche Bischofskonferenz im Clemensheim (Köln: Kardinal Frings, Paderborn: Erzbischof Jaeger, Berlin: Graf Preysing, Münster: Graf von Galen, Osnabrück: Berning, Hildesheim: Machens, Aachen: van der Velden). Am Tag darauf stieß auch Erzbischof Griffin von Westminster dazu.
  • Übrigens: Am 11. September 1946 wurde in den Räumen des Clementinum Bad Driburg aus den Resten der vormaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften unter Leitung des Atomphysikers Prof. Dr. Otto Hahn die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften gegründet, allerdings zunächst nur mit Geltung für die Britische Besatzungszone. (Daran erinnert heute eine Bronzetafel am Hauptportal des Klemensheimes).
  • Geheimrat Professor Dr. Max Planck war von den NS-Terroristen enteignet und mit Lehrverbot belegt worden, weil sein Sohn an Aufstandsvorbereitungen gegen Hitler beteiligt und hingerichtet worden war. Als der damalige Direktor des Collegium Leoninum, Prof. Dr. Höfer, über den Heisenberg-Promoventen DDr. Heimo Dolch, der jetzt als Dozent der Theologie im Klemensheim tätig war, hörte, dass Max Planck gegen Kriegsende in Berlin obendrein ausgebombt worden war, lud er ihn sofort nach Bad Driburg ins Klemensheim ein. Der fromme Protestant Planck kam gerne und mehrfach mit seiner Frau Marga nach Bad Driburg. Er weilte im Klemensheim u.a. in der Zeit vom 31.10. bis zum 26.11.1946. Das Haus versorgte in der auch für Wissenschaftler spürbaren Hungerszeit das Ehepaar Planck mit dem Lebensnotwendigen, er revanchierte sich mit Vorträgen für die Studenten.
  • Des gleichen weilten Prof. Dr. Otto Hahn mit Gattin vom 17.-26. Juni 1947 und vom 22.-24. Januar 1949 und Prof. Dr. Werner Heisenberg mit Gattin vom 15.-24. September 1948 im Klemensheim.

Die erfolgreichen 50er und 60er Jahre

  • Ein großer Erweiterungsbau mit Kirch-, Wohn- und Schultrakt ging am 10.10.1957 in Gebrauch, eingeweiht von Erzbischof Lorenz Jaeger. Architekt Josef Lukas aus Paderborn hatte den vorangegangenen Architektenwettbewerb für sich gewinnen können.
  • 1955 übergab der Gründer Bernhard Zimmermann sein Werk – das Clemens-Hofbauer-Hilfswerk für Priesterspätberufe e.V. – an die Diözesen Paderborn und Münster und zog sich am 28.10.1959 vollständig aus der Leitung zurück. Er war damals schon fast 79-jährig!
  • In Anerkennung seiner Verdienste ernannte seine Heimatstadt Bad Driburg Zimmermann zum Ehrenbürger (1953), er erhielt das Bundesverdienstkreuz (1954) und wurde von Papst Pius. XII. zum Prälaten ernannt (1956).
  • Zum 01.12.1966 wurde das Aufbaugymnasium dem mittlerweile überall entstandenen "Zweiten Bildungsweg" strukturell angepaßt und in eine vierjährige Kollegschule (Clemens-Hofbauer-Kolleg) umgewandelt.
  • Am 15.11.1967 konnte ein neues Küchengebäude mit Schwesternhaus eingeweiht werden.
  • Im August 1970 ging nach anderthalbjähriger Bauzeit ein Turnhallen-Neubau in Gebrauch.
  • Zimmermann verstarb am Karfreitag 4. April 1969, und wurde auf dem hauseigenen Friedhof im Park des Clementinums, neben der Marienkapelle, beigesetzt. An seiner Seite fanden auch einige Lehrer, Angestellte und Klemensschwestern ihre letzte Ruhe.

Das Clementinum heute in Paderborn

  • Der Erfolg des Clementinums ist beachtlich: Über 2.000 Abiturienten aus allen Regionen Deutschlands, aus Österreich und der Schweiz hat es seit 1946 hervorgebracht, von denen 900 den Priesterberuf ergriffen. 
  • Aufgrund der rückläufigen Studierendenzahlen wurde der Schulbetrieb in Bad Driburg am 30. November 1997 eingestellt, das Clemens-Hofbauer-Kolleg geschlossen.
  • Zur Schule gehen die Klementiner seither im Westfalenkolleg Paderborn, das vom Land NRW getragen wird. Im Jahr 1998 zog das Studienheim St. Klemens ganz nach Paderborn um und nennt sich nun Clementinum Paderborn. Von 1998 bis 2012 hatte es seinen Sitz in einem Gebäudeflügel des Klarissenklosters Paderborn, seit 2013 nun im Paulus-Kolleg Paderborn, Husener Straße 43.
  • Das alte Hauptgebäude des Bad Driburger Klemensheimes wurde in den Jahren 2003/2004 grundlegend saniert und modernisiert. Am 18.11.2004 wurde es von der Eigentümerin, dem "Clemens-Hofbauer-Hilfswerk für Priesterspätberufe e.V.", einer neuen Bestimmung übergeben. Es dient jetzt als "Kolping-Jugendwohnheim St. Klemens" den Jugendlichen, die in Maßnahmen der Kolping-Bildungszentren Ostwestfalen gGmbH auf den Einstieg in das Berufsleben vorbereitet werden. Schon seit 1994 hat das Kolping-Bildungswerk Räumlichkeiten im Bad Driburger Klemensheim angemietet.
  • Im Jahr 2004 hat sich auf Initiative der vielen Altklementiner der Förderverein St. Klemens e. V. gebildet, der Erbe und Auftrag der Institution mit lebendig hält. Dazu siehe hier auf dieser Seite Förderverein